Ich beschäftige mich, nicht nur von Berufs wegen, mit den Themen Leben, Sterben und Tod. Einem alltäglichen Prozess, wenn man es mal genauer betrachtet, aber dazu vielleicht ein andermal mehr.

Seit vielen Jahren arbeite ich auf einer Palliativstation und begleite schwerstkranke und auch sterbende Menschen und deren Familien. Wenn man etwas schon lange macht entwickelt sich eine gewisse Professionalität in diesem Bereich. Ich habe mir Fachwissen angeeignet, gelernt, mit Grenzsituationen umzugehen, zuzuhören, manchmal auch zwischen den Zeilen, und noch so vieles mehr. Ich würde mal behaupten, ich bin eine „gute Pflegefachkraft“.

Nun geschah es vor geraumer Zeit, dass unsere knapp 83-jährige Mutter akut als Notfall ins Krankenhaus musste. Wir wussten nicht genau was geschehen war, aber es gab einen Verdacht. Dieser ließ die unterschiedlichsten Bilder und Befürchtungen zu. Aus knapp 100 km Entfernung organisierte ich einen Notarzt und machte mich auf den Weg zu ihr. Das konnte ich alles noch mit einer gewissen Sicherheit, aber nicht ohne Angst und Sorge um sie.

Ich fuhr in das Krankenhaus, in das sie kam und war während der Aufnahme dann mit dabei. Ich musste Fragen beantworten, die ich sonst Angehörigen stelle, Formulare ausfüllen, die ich sonst weiterreiche, über Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung reden. Ich hatte die Seiten gewechselt…

Sie musste bleiben und kam auf die Überwachungsstation. Sie hatte Schmerzen und litt unter heftiger Übelkeit. Die Schmerzen waren deutlich sichtbar, auch wenn sie sich nicht richtig äußern konnte. Hier half mir meine Erfahrung und ich bat darum, dass sie etwas dagegen bekam, was auch schnell geschah. Auf diesem Gebiet fühlte ich mich sicher, das ist meine Profession, da kann ich aktiv was tun.

Als sie dann mit allem versorgt war und es etwas ruhiger um uns herum wurde, saß ich an ihrem Bett. Sie fing mit sichtlicher Mühe, nach Worten und Formulierungen suchend, an, davon zu sprechen, dass ihr alles zu viel ist, sie das Leben nicht mehr schaffe und wir sie doch einfach gehen lassen sollen.

Im beruflichen Kontext hätte ich wahrscheinlich für einen Moment geschwiegen und den Raum noch offen gelassen für weitere Worte. Hier sprach nun aber meine Mutter und ich konnte ihr Leid sehen und fühlen. Und: ich konnte es zutiefst verstehen und auch nachvollziehen. Ich saß still auf ihrem Bettrand, hielt ihre Hand und meine Tränen flossen genauso still, wie ich dort saß.

Es gab keine Worte, die das hätten ausdrücken können, was ich in diesem Moment empfand. Als Tochter half mir in dieser sehr intimen Situation keine Professionalität der Welt.

Was mir half, war Mitgefühl und Liebe.